Lernen im Schlaf

27.08.2012

Ist es möglich im Schlaf zu lernen? In einer neuen Studie des Weizmann Instituts, die heute in Nature Neuroscience erscheint, hat man herausgefunden, dass beim Riechen bestimmter Gerüche, die zusammen mit bestimmten Tönen während des Schlafs wahrgenommen werden, die Versuchspersonen zu schnuppern beginnen, sobald sie wach oder schlafend dieselben Töne aber diesmal ohne die begleitenden Gerüche hören. In anderen Worten: Personen lernen neue Informationen auch während des Schlafs und das wiederum kann unbewußt auch ihr Verhalten im Wachstadium beeinflussen.


 Experimente mit Lernen im Schlaf sind bekannterweise schwer durchzuführen, da sicher gestellt werden muss, dass die Versuchsperson tatsächlich schläft und während des "Unterrichts" nicht aufwacht. Die gründlichsten Versuche des verbalen Lernens im Schlaf konnten bisher keinen neuen Wissensstand erzielen. Während Studien zunehmend die Wichtigkeit von Schlaf für das Lernen und die Gedächtnisfestigung aufzeigten, gibt es bisher keine Studien, die zeigen, dass ein erwachsenes Gehirn im Schlaf neue Informationen dazulernt.

Prof. Noam Sobel und seine Forschungsstudentin Anat Arzi haben gemeinsam mit Sobels Forschungsgruppe im Fachbereich Neurobiologie am Institut und Forschern des Loewenstein Krankenhauses und dem Academic College of Tel Aviv-Jaffa ein Experiment ausgewählt, das Versuchspersonen einen Ton gefolgt von einem Geruch präsentiert, sodaß sie sehr bald eine ähnliche Reaktion auf den Ton auch ohne den Geruch aufzeigen. Die Kombination zwischen Ton und Geruch ermöglichte diverse Vorteile. Keiner von beiden weckt den Schläfer (bestimmte Gerüche können gar Tiefschlaf fördern), während das Gehirn diese verarbeitet und im Schlaf auf sie reagiert. Darüber hinaus birgt der Geruchsinn ein einzigartiges non-verbales Charakteristikum nämlich das Schnuppern. Die Forscher stellten fest, dass das schlafende Gehirn beim Schnuppern genau wie das wache Gehirn reagiert: Wir atmen tief ein, wenn ein Geruchsaroma angenehm ist, bei einem schlechten Geruch jedoch atmen wir nur kurz ein. Diese Veränderung beim Schnuppern wurde sowohl bei schlafenden als auch bei wachen Personen registriert. Obwohl dies sehr einfach erscheint, wird diese Aktivität mit den höheren Gehirnregionen assoziiert, einschließlich des Hippocampus, der in die Gedächtniskonsolidierung involviert ist.

Während der Experimente schliefen die Versuchspersonen in einem speziellen Labor, in dem ihr Schlaf laufend beobachtet wurde. (Das Erwachen während des Experiments – auch wenn nur kurzzeitig – machte die Ergebnisse untauglich.) Während die Personen schliefen, wurde ein Ton abgespielt, gefolgt von einem angenehmen oder auch einem unangenehmen Geruch. Danach folgte ein weiterer Ton, gefolgt von einem gegensätzlichen, unangenehmen Geruch. Im Laufe der Nacht wurde die Assoziierung verstärkt sodass die Versuchsperson nur noch die Töne hörte. Die schlafenden Testpersonen reagierten auf den Ton ohne Geruch, als sei der Geruch noch immer präsent – indem sie entweder tief oder nur kurz einatmeten.

Am nächsten Tag wurden vor den nun wachen Personen nur die Töne abgespielt, ohne die begleitenden Gerüche. Obwohl sie sich nicht bewußt daran erinnern konnten, die Töne in der Nacht gehört zu haben, zeigte sich in ihrer Atmenreaktion die unbewußte Erinnerung. Wenn sie Tönen ausgesetzt wurden, die mit angenehmen Gerüchen kombiniert waren, atmeten sie tief ein, während sie bei den zweiten Tönen, denen zuvor unangehme Gerüche folgten, kurz und flach einatmeten.

Das Forschungsteam fragte sich dann, ob dieses Lernerlebnis mit einer bestimmten Schlafphase zusammenhängt. In einem zweiten Experiment unterteilten sie die Schlafzyklen in REM-Schlaf (rapid eye movement) und in nicht-REM-Schlaf und führten daraufhin die Versuche nur in einer der beiden Phasen durch.
 
Überraschenderweise stellten sie fest, dass das Lernen im REM-Schlaf eindeutig stärker war, aber dass der Transfer der Assoziierung vom Schlaf- ins Wachstadium nur dann offensichtlich war, wenn das Lernen sich während des nicht-REM-Schlafs ereignete. Sobel und Arzi schlagen nun vor, dass wir während des REM-Schlafs offener für Stimuli unserer Umgebung sind, allerdings kann sich die sogenannte "Traum-Amnesie", die uns unsere Träume vergessen läßt, in jedweder Konditionierung in diesem Stadium ereignen. Im Gegensatz dazu ist der nicht-REM-Schlaf die Schlafphase, die für die Gedächtniskonsolidierung wichtig ist, weshalb sie auch eine Rolle in dieser Art von Lernen im Schlaf spielen könnte.

Obwohl Sobels Labor den Geruchsinn untersucht, möchte Arzi mit der Untersuchung der Verarbeitung des Gehirns in unterschiedlichen Bewußtseinsstadien wie Schlaf oder Koma fortfahren. "Jetzt, wo wir wissen, dass Lernen im Schlaf möglich ist," sagt Arzi, "wollen wir die Grenzen dieses Lernens im Schlaf erforschen – etwa welche Informationen im Schlaf erlernt werden können und welche nicht."
 

Prof. Noam Sobels Forschungsarbeit wird finanziert von Regina Wachter in New York, aus dem Nachlass von Lore Lennon, der James S. McDonnell Foundation 21st Century Science Scholar in Understanding the Human Cognition Program, der Minerva-Stiftung und dem Europäischen Forschungsrat.
 
 

Share