Ameisen an der Spitze

30.07.2015

Ein physikalisches Modell kann erklären, wie Ameisen miteinander kooperieren, um Nahrung in ihr Nest zu transportieren

Jeder, der je eine Gruppe von Ameisen dabei beobachtet hat, wie sie einen großen Krümel in ihr Nest transportieren, hat sich wahrscheinlich gewundert, wie diese winzigen Kreaturen dies überhaupt schaffen. Eine neue Forschungsstudie des Weizmann Instituts für Wissenschaft, die heute in Nature Communications erschienen ist, erklärt wie eine Balance zwischen der individueller Orientierung   und konformistischem Verhalten die Ameisen dazu befähigt, eng zusammenzuarbeiten, um ihr Futter in die gewünschte Richtung zu bewegen.

            Um ein großes Objekt zu transportieren, wird es von den Ameisen umzingelt, die hinteren Ameisen heben es an und die Ameisen an der vorderen Spitze zerren es vorwärt. Wie bleiben sie in der Spur anstatt es nur in einer Art Tauziehen irgendwie ziellos herumzuschleppen? Dr. Ofer Feinerman und seine Forschungsgruppe im Fachbereich Physik Komplexer Systeme am Weizmann Institut benutzten eine Videoanalyse, um die einzelnen Bewegungen der Ameisen in einer Gruppe zu verfolgen, während sie große Futterstücke in ihr Nest transportierten. Je mehr Ameisen ein Objekt – wie z.B. ein Müslistück – umzingelten, desto schneller konnten sie es bewegen. Obwohl das Futterstück stets in der ungefähren Richtung des Nests bewegt wurde, so wurde unterwegs doch oft falsch abgebogen aber wieder die richtige Richtung eingeschlagen.

            In diesen Videoaufnahmen kann man einzelne Ameisen sehen, die hin und wieder für kurze Zeit beim Tragen helfen und dann für kurze Zeit andere, neue Ameisen ihren Platz übernehmen. Wenn diese neuen Ameisen beim Tragen in Bewegung kommen, lassen die anderen tragenden Ameisen, die mittlerweile etwas in ihrer Orientierung verwirrt waren, den Neuankömmlingen den Vortritt. Sobald eine neue Ameise dazukommt, wird die Steuerung des Objekts kurzzeitig korrigiert, sodass es wieder besser Richtung Nest ausgerichtet ist. Neue Ameisen führen die Bewegung und die Richtung für etwa 10 bis 20 Sekunden an. So übernehmen die orientierten Ameisen die Führung, aber sie geben auch schnell wieder ab, sobald sie selbst ihre Orientierung verlieren.

            Gemeinsam mit der Forschungsgruppe von Prof. Nir Gov aus dem Fachbereich Chemische Physik am Weizmann Institut wurde ein mathematisches Modell entwickelt, um dieses kooperative Verhalten zu beschreiben. Gemäß dieses Modells pendeln sich die Entscheidungen der „unorientierten“ Ameisen in einem Zwischenstadium von Konformismus und Individualität ein, das die Ameisengruppe dazu befähigt, ihre Arbeit miteinander zu koordinieren und die Transportrichtung entsprechend zu korrigieren. Das Modell ist eine Variation des sogenannten Ising-Modells, das oft dafür benutzt wird, um auftauchende Erscheinungen in der statistischen Physik zu beschreiben.

            Was lehrt uns diese Studie über die Rolle der Individualität und Sozialverhalten bei Tieren? Feinerman: „In diesem System zeigt sich, dass Weisheit nicht von den Massen kommt. Eher sind es die Individuen mit dem Gehirn und die Rolle der Gruppe ist es, die Muskelstärke entsprechend der Intelligenz des Einzelnen zu benutzen, damit sie ihre Fracht in Bewegung bringen.“

 

Prof. Nir Govs Forschungsarbeit wird finanziert von dem Yeda-Sela Center for Basic Research. Prof. Gov hält den Lee-und-William-Abramowitz-Lehrstuhl in Biophysik inne.

Dr. Feinermans Forschungsarbeit wird finanziert von dem Yeda-Sela Center for Basic Research, der Clore Foundation und dem Tom Beck Research Fellow Chair in the Physics of Complex Systems. Dr. Feinerman hält den Shlomo-und-Michla-Tomarin-Lehrstuhl inne.

 

Videos taken during the research:

https://www.youtube.com/watch?v=IfKiTaw8ndI

https://www.youtube.com/watch?v=JAwzXEZcjIw

https://www.youtube.com/watch?v=isnQrT_o5L8

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