Der Weg zu Kartoffelgiften

31.07.2013

Im Jahre 1924 berichtete das Science Magazine über eine tödliche Kartoffelvergiftung: James B. Matheney aus Vandalia im US-Staat Illinois hatte etwa eineinhalb Dutzend Knollen gesammelt, die im Sonnenlicht grün wurden. Zwei Tage nach dem Verspeisen der Kartoffeln erschienen bei seiner Frau, zwei Töchtern und vier Söhnen Vergiftungssymptome. Die einzige Ausnahme war James selbst, der die Kartoffeln nicht gegessen hatte, und ein Baby, das noch gestillt wurde. Die 45jährige Frau starb eine Woche später, gefolgt von einer 16jährigen Tochter. Die fünf anderen Familienmitglieder überlebten.

 
Obwohl solche Todesfälle bei Menschen selten sind, sind Haustiere bereits oft erkrankt oder gar gestorben, nachdem sie grüne Kartoffeln gefressen haben. Die Symptome zeigen sich durch Verdauungsstörungen, Gefühlsverlust, Halluzinationen und andere neurologische Störungen. Tod tritt durch Unterbrechung des Herzschlags ein. Bei den Giftsubstanzen handelt es sich um Solanin und Chaconin, deren Konzentration durch Lichteinwirkung oder beim Keimen stark ansteigt und die Knolle vor Insekten und Krankheiten schützen soll.
 
Solanin und Chaconin gehören zu der großen Familie der Glycoalkaloide, die tausende Toxine in geringen Mengen in vielen anderen eßbaren Pflanzen einschließen, wie etwa in Tomaten und Auberginen. Diese Substanzen sind seit über 200 Jahren bekannt, aber erst vor kurzem hat Prof. Asaph Aharoni aus dem Fachbereich Pflanzenwissenschaften damit begonnen, die Entstehung dieser Pflanzen zu untersuchen. Mit seinem Team hat er den biochemischen Weg aufgezeichnet, der für die Herstellung von Glycoalkaloiden aus Cholesterol verantwortlich ist. Ihre Entdeckungen werden das Heranzüchten von giftfreien Ernten und die Entwicklung von neuen Erntensorten aus wilden Pflanzen ermöglichen, die so große Mengen von Glycoalkaloiden beinhalten, dass sie derzeit als ungenießbar gelten. Andererseits kann eine künstliche Anhebung des Glycoalkaloidgehalts manchen Pflanzen gegen Krankheiten helfen, wenn sie entweder über keine oder eine zu geringe Menge Glycoalkaloid verfügen.
 
Vor zwei Jahren wurde in The Plant Cell berichtet, dass die Wissenschaftler ein erstes Gen in einer Kette von Reaktionen identifiziert haben, die zur Produktion von Glycoalkaloiden führt. In einer neuen Studie, die kürzlich in Science veröffentlicht wurde, hat man es jetzt geschafft, neun andere Gene in der Kette zu identifizieren, indem man das erste Gen als Marker einsetzte und mit Gen-Ausdruckmustern in verschiedenen Teilen der Tomaten und Kartoffeln verglich. Bei Störung der Aktivität eines dieser Gene fanden sie heraus, dass sie die Ansammlung von Glycoalkaloiden in Kartoffelknollen und Tomaten verhinderten. Das Forschungsteam enthüllte die Funktion von jedem dieser Gene und zeigte ihren gesamten Weg auf, der aus zehn Stationen bestand, bei denen Cholesterol-Moleküle sich in Glycoalkaloide verwandelten.
 
Eine Analyse dieser Befunde bot eine aufregende Einsicht: Die meisten der involvierten Gene befanden sich als Gruppe auf dem Chromosom 7 auf den Kartoffel- und Tomatengenomen. Solche Gruppenbildung scheint die Pflanze daran zu hindern, ihrem Ableger einen unvollständigen Glycoalkaloid-Weg mitzugeben, der zur Herstellung von Substanzen, die schädlich für die Pflanze sind, führen könnte.

Die Forschungsarbeit wurde vom Postdoktoranden Dr. Maxim Itkin, der mit Dr. Uwe Heinig zusammenarbeitete, von Dr. Oren Tzafadia, Pablo D. Cardenas, Dr. Samuel Bocobza, Dr. Sergey Malitsky und Dr. Ilana Rogachev aus dem Labor von Dr. Aharoni und von Dr. Tamar Unger aus dem Israel Structural Proteomics Center am Weizmann Institut sowie Wissenschaftlern des National Chemical Laboratory in Pune, Indien, der Hebräischen Universität in Jerusalem und der Wageningen Universität in den Niederlanden durchgeführt.
 
 
Prof. Asaph Aharonis Forschungsarbeit wird finanziert von dem Clore Center for Biological Physics, dem Kahn Family Research Center for Systems Biology of the Human Cell, der Tom and Sandra Rykoff Family Foundation, von Roberto und Renata Ruhman aus Brasilien, der Adelis Foundation, dem Leona M. And Harry B. Helmsley Charitable Trust, der Minna-James-Heinemann-Stiftung und dem Raymond Burton Plant Genome Research Fund. Prof. Aharoni hält den Peter-J.-Cohn-Lehrstuhl inne.
 

Share