Neuprogrammierung von Stammzellen leichter gemacht

18.09.2013

Wissenschaftler des Weizmann Instituts zeigen, dass die Entfernung eines Proteins aus erwachsenen Zellen sie dazu befähigt, auf sehr effektive Weise die Uhren zurück zum Stammzellenstadium zu drehen

Embryonale Stammzellen haben ein enormes Potenzial diverse medizinische Probleme zu behandeln oder gar zu heilen. Daher ist die Entdeckung, dass man embryonale Stammzellen aus Hautzellen (iPS-Zellen) schaffen kann, im Jahre 2012 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden. Aber der Prozess ist leider weiterhin frustrierend langsam und ineffizient und die daraus entstehenden Stammzellen lassen sich nicht medizinisch einsetzen. Eine Forschungsarbeit im Labor von Dr. Yaqub Hanna am Weizmann Institut, über die heute in Nature berichtet wird, verändert dies auf dramatische Weise: Mit seiner Forschungsgruppe hat er eine "Bremse" entdeckt, die die Produktion von Stammzellen zurückhält, und hat herausgefunden, dass mit Loslassen der Bremse sowohl der Prozess synchronisiert als auch seine Effizienz von etwa 1% oder weniger auf 100% gesteigert werden kann. Diese Ergebnisse könnten dabei helfen, Stammzellen zu produzieren, die sich medizinisch einsetzen lassen, und es könnte uns mehr Einblick in den mysteriösen Prozess bieten, in dem erwachsene Zellen sich wieder in ihren ursprünglichen, embryonalen Zustand zurückverwandeln.

 Embryonale Stammzellen sind solche, die noch keine "Spezifizierung" erlebt haben und sich daher in jede Art von Zelle im Körper entwickeln können. Dadurch sind sie so wertvoll: Sie können u.a. zur Reparatur von beschädigtem Gewebe, zur Behandlung von Autoimmunkrankheiten und sogar zum Züchten von Organen für Transplantationen eingesetzt werden. Der Einsatz von Stammzellen aus Embryonen ist problematisch, wegen geringer Verfügbarkeit und aus ethischen Gründen, aber die Hoffnung für ihren Einsatz kam 2006 erneut auf, als ein Team unter Vorsitz von Shinya Yamanaka von der Kyoto Universität entdeckte, dass es möglich ist, erwachsene Zellen "neu zu programmieren". Die entstandenen Zellen, die sich "induzierte pluripotente Stammzellen" (iPSCs) nennen, werden durch die Einführung von vier Genen in die DNS geschaffen. Trotz dieses Durchbruchs ist der Neuprogrammierungsprozess fehlerhaft und schwierig: Er kann bis zu vier Wochen dauern; die Dauer ist unter den Zellen nicht abgestimmt und nur weniger als ein Prozent der behandelten Zellen wird am Ende tatsächlich eine Stammzelle.

 Hanna und sein Team fragten: Welche ist die Haupthürde – oder welche Hürden sind es – die eine erfolgreiche Neuprogrammierung in der Mehrzahl der Zellen verhindert? Nach seiner Promovierung hat Hanna in seiner Forschungsarbeit mathematische Modelle angewandt, um zu zeigen, dass eine einzige Hürde hier die Verantwortung trägt. Selbstverständlich ist Hanna aber der Erste, der zugibt, dass in der Biologie als Backup für die Modelle ein Testbeweis notwendig ist. Die gegenwärtige Studie liefert nicht nur diesen Beweis, sondern sie enthüllt auch die Identität dieser einzigen Hürde und zeigt, dass eine Entfernung dieser Hürde die Neuprogrammierung dramatisch verbessert.

 Hannas Forschungsgruppe unter Leitung von Dr. Noa Novershtern, Yoach Rais, Asaf Zviran und Shay Geula aus dem Fachbereich Molekulargenetik, schauten sich gemeinsam mit Mitgliedern der Genomik-Einheit des Israel Structural Proteomics Center am Weizmann Institut ein bestimmtes Protein, genannt MBD3, an, dessen Funktion unbekannt ist. Auf das MBD3 waren sie allerdings aufmerksam geworden, weil es in jeder Zelle des Körper und in jedem Entwicklungsstadium der Zellen vorhanden ist. Das ist ziemlich selten, denn die meisten Proteine werden gewöhnlich in bestimmten Zellen zu bestimmten Zeitpunkten und für bestimmte Funktionen hergestellt. Das Team fand eine Ausnahme dieser Regel des universellen Ausdrucks dieses Proteins in den ersten drei Tagen nach Empfängnis. Dies sind genau die drei Tage, in denen sich die befruchtete Eizelle zu teilen beginnt und der pränatale Embryo ein wachsender Ball aus pluripotenten Stammzellen ist und die Zellen bereits beginnen, ihren pluripotenten Status zu verlieren. Und genau in diesem Stadium erscheinen erstmals die MBD3-Proteine.

 Diese Testergebnisse haben bedeutende Implikationen für die Herstellung von iPSC für medizinische Zwecke. Yamanaka benutzte Viren, um die vier Gene zu injizieren, aber aus Sicherheitsgründen werden diese nicht für die Neuprogrammierung von Zellen benutzt, die man in Patienten anwendet. Dies verleiht dem Prozess eine noch niedrigere Erfolgsrate als nur etwa ein Zehntel Prozent. Die Forscher zeigten, dass die Entfernung von MBD3 aus erwachsenen Zellen die Effizienz und die Geschwindigkeit des Prozesses um einiges verbessern kann. Die Zeit, die man zur Herstellung von Stammzellen braucht, verringerte sich von vier Wochen auf acht Tage. Darüber hinaus waren die Wissenschaftler nun, da alle Zellen gleichzeitig einer Neuprogrammierung unterzogen wurden, dazu imstande, zum ersten Mal jede Stufe zu verfolgen und den Mechanismus hinter diesem Prozess zu enthüllen. Hanna hebt hervor, dass die Errungenschaft seines Teams auf einer Forschungsarbeit der natürlichen Wege der embryonalen Entwicklung basierte: "Wissenschaftler, die die Neuprogrammierung untersuchen, können ein besseres Verständnis darüber erzielen, wie embryonale Stammzellen in der Natur hergestellt werden. Nicht zuletzt ist es aber doch die Natur, die sie am effizientesten und besten herstellt."
 

Dr. Yaqub Hannas Forschungsarbeit wird finanziert von Pascal und Ilana Mantoux in Frankreich/Israel, aus dem Leona M. und Harry B. Helmsley Charitable Trust, von dem Sir Charles Clore Research Prize, dem Benoziyo Endowment Fund for the Advancement of Science, von Erica A. Drake und Robert Drake, vom Europäischen Forschungsrat und von der Fritz Thyssen Stiftung.
 

Left column: Previous method for creating induced pluripotent stem cells (iPSCs); right column: iPSCs produced with the new method developed by Dr. Hanna. Top: Skin cells (red); center: iPSCs from skin cells (green); bottom: superimposed top and center images. Skin cells that have been reprogrammed into iPSCs appear light yellow. Only a small percentage of the cells on the left have been reprogrammed, in contrast with the high success rate seen with the new method on the right

 

 

 

 


 

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