Warum Chemotherapie versagt

29.05.2012

Eine Forschungsarbeit von Wissenschaftlern des Weizmann Instituts zeigt, warum Leukämie oft zurückkehrt

Krebs läßt sich oft nicht in einem einzelnen Kampf besiegen: Lange nachdem die Krebserkrankung therapeutisch bekämpft wurde, kann sie wiederkehren. Die Gründe dafür werden nach wie vor diskutiert und vieles ist dabei bisher ungeklärt. Neue Forschungsarbeiten von Wissenschaftlern des Weizmann Instituts zeigen zumindest in einer Art von Blutkrebs den Grund für die Wiederkehr in einer Serie von Zellen, die sich nicht so schnell vervielfältigen wie reguläre Krebszellen, weshalb sie die Chemotherapie scheinbar überleben. Diese Ergebnisse, die heute im Magazin Blood erschienen, haben einige wichtige Implikationen für die Zukunft der Krebsbekämpfung.

Krebs erzeugt einen Zusammenbruch in dem Mechanismus, der die Geschwindigkeit der Zellteilung reguliert. Wenn das passiert, teilen sich Zellen sehr schnell, was zu einem unkontrollierten, den Körper überschwemmenden Wachstum führt. Das bekannteste, in Chemotherapie angewandte Medikament greift ganz spezifisch Zellen an, die sich sehr schnell teilen, und sie schaffen es oft, alle Zellen zu zerstören und damit den Patienten zu heilen.

Aber es gibt ziemlich viele Leukämie-Patienten, die sich einer Chemotherapie unterziehen, und bei denen der Krebs dennoch wiederkehrt. Warum passiert das? Für diese Frage gibt es diverse Erklärungen. Eine besagt, daß Chemotherapie nicht jede einzelne Zelle abtötet und einige wenige zurückläßt, die sich weiterhin unkontrolliert teilen, bis die Krankheit in voller Stärke erneut ausbricht. Eine weitere Erklärung könnte sein, dass Chemotherapie alle regulären Krebszellen zerstört, aber daß es eine weitere Art von Krebszellen gibt, die sich im Körper verstecken. Im Gegensatz zu den sich schnell teilenden Krebszellen, teilen sich diese Zellen langsam und schaffen es dadurch, der Chemotherapie auszuweichen. Diese hinterlistigen Zellen können sich dann aber in sich schnell teilende Krebszellen verwandeln, weshalb man sie auch "Krebsstammzellen" nennt.

Welche der Erklärungen stimmt? Die Diskussion dieser Frage ist wichtig, denn wenn die erste Erklärung richtig ist, mag eine Verbesserung der existierenden Behandlungsmethoden helfen, während die zweite Erklärung impliziert, daß man einen völlig anderen Ansatz bei der Behandlung benötigt, um auch die sich langsam teilenden Krebsstammzellen zu treffen.

Um eine Lösung für dieses Problem zu finden, hat ein Team um Prof. Ehud Shapiro aus dem Fachbereich Biologische Chemie und dem Fachbereich Angewandte Mathematik und Computerwissenschaften im Weizmann Institut mit Wissenschaftlern und Ärzten am Rambam Medical Center und am Technion, die beide in Haifa liegen, zusammengearbeitet. Sie haben eine während der letzten Jahre in Shapiros Labor entwickelte Methode verwendet, die Zellabstammungslinien rekonstruiert. Diese Methode basiert auf der Tatsache, dass das Genmaterial in verschiedenen Körperzellen während der Zellteilung einzigartige Mutationen akkumuliert und daß diese Mutationen während der Zellteilung an die Tochterzellen weitergegeben werden. Beim Vergleich dieser Mutationen läßt sich ein detaillierter Zellfamilien-Stammbaum aufzeichnen und es läßt sich festlegen, wie weit zurück sie gemeinsame Vorfahren teilen. Das Endprodukt dieser Analyse ist ein Stammbaum, der die Genealogie der Zellen von ihren frühesten Vorvätern an der Basis des Stammbaums bis hin zu den jüngsten Zellen an den Spitzen der Zweige rekonstruiert.

Um den Krebszellen-Stammbaum zu rekonstruieren, benutzte das Team zwei Sätze von Blutproben: Der erste wurde von Leukämiepatienten direkt nach Diagnose der Krankheit entnommen und die zweite Probe von Patienten, die sich bereits einer chemotherapeutischen Behandlung unterzogen hatten und bei denen die Krebserkrankung wiedergekehrt war. Die Forscher konnten die Verbindung zwischen den wiederkehrenden Krebszellen aufzeichnen, um zu sehen, ob sie von den ersten Original-Krebszellen abstammen. Der Zellen-Stammbaum zeigte zumindest bei einigen Patienten, daß der Grund der wiedergekehrten Krebserkrankung nicht in den schnell wuchernden Krebszellen zu finden war, sondern in den Zellen, die sich nahe der Wurzel des Stammbaums befanden. Diese Zellen hatten sich nur wenige Male geteilt. Demnach entstand der Krebs aus Zellen, die sich langsam teilten, was sie gegen die Attacke der chemotherapeutischen Medikamente resistent machte.

Shapiro: "Wir wissen, dass Chemotherapie allein in vielen Fällen Leukämie nicht zu heilen vermag. Unsere Forschungsergebnisse zeigen, daß wir für eine vollkommene Heilung eine Behandlung suchen müssen, die nicht nur die sich schnell teilenden Zellen eliminiert, sondern auch auf die Krebs-Stammzellen abzielt, die gegen konventionelle Behandlungsmethoden resistent sind."

An der Forschungsarbeit waren Dr. Liran Shlush an der Rappaport Fakultät für Medizin am Technion und am Rambam Medical Center, Noa Chapal-Ilani und Dr. Rivka Adar vom Weizmann Institut, die Professoren Karl Skorecki und Jacob Rowe vom Technion, Dr. Tsila Zuckerman vom Rambam Medical Center und vom Technion sowie weitere Forscher beteiligt.
 

Prof. Ehud Shapiros Forschungsarbeit wird finanziert von der Paul Sparr Foundation, von Miel de Botton in Großbritannien, der Carolito Stiftung und dem Europäischen Forschungsrat. Prof. Shapiro hält den Harry-Weinrebe-Lehrstuhl für Informatik und Biologie inne. Seine Forschungsarbeit wird außerdem auch von einem ERC- Advanced Grant unterstützt.
 

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