Wissenschaftler identifizieren die Signatur von Alterung im Gehirn

29.09.2014

Wissenschaftler des Weizmann Instituts meinen, nur das "immunologische Alter" des Gehirns zählt.

Wie genau das Gehirn altert ist eigentlich eine noch immer offene Frage – u.a. auch weil dieses Organ isoliert von direktem Kontakt mit anderen Körpersystemen ist, so auch vom Blut- und vom Immunsystem. In einer Forschungsarbeit, die kürzlich in Science veröffentlicht wurde, fanden die Weizmann-Wissenschaftler Prof. Michal Schwartz aus dem Fachbereich Neurobiologie und Dr. Ido Amit aus dem Fachbereich Immunologie die Spuren einer einzigartigen "Signatur", die vielleicht die "fehlende Verbindung" zwischen dem kognitiven Rückgang und der Alterung ist. Die Wissenschaftler glauben, dass diese Entdeckung in Zukunft vielleicht zu Behandlungen verhilft, die den kognitiven Rückgang bei alten Menschen verlangsamt oder gar rückgängig macht.


Bis vor etwa zehn Jahren schrieb das wissenschaftliche Dogma vor, dass die Blut-Hirn-Schranke die Immunzellen im Blut daran hindert, Gehirngewebe anzugreifen und zu zerstören. Aber in einer langen Serie von Forschungsstudien hat die Schwartz-Gruppe zeigen können, dass das Immunsystem eigentlich eine wichtige Rolle sowohl bei der Heilung des Gehirns nach einer Verletzung und bei Beibehaltung normaler Hirnfunktionen aufweist. Sie fanden heraus, dass diese Gehirn-Immun-Interaktion auch über diese Schranke hinaus eintritt, die eigentlich ein einzigartiges Adergeflecht im Gehirn darstellt.

 Dieses Adergeflecht, genannt Plexus choroideus, befindet sich in jedem der vier Hohlraumsysteme oder Ventrikel und es trennt das Blut von der Gehirnflüssigkeit. Schwartz: "das Plexus choroideus fungiert als eine Art `Fernbedienung´ des Immunsystems zur Beeinflussung der Hirnaktivität. Biochemische Gefahrensignale, die vom Gehirn freigesetzt werden, werden von diesem Adergeflecht registriert, woraufhin die Immunzellen im Blut bei der Kommunikation mit dem Plexus choroideus helfen. Diese Kommunikation ist zur Bewahrung der kognitiven Fähigkeiten wichtig und fördert die Bildung neuer Hirnzellen." Diese Entdeckungen veranlassten Schwartz und seine Forschungsgruppe zu der Annahme, dass der kognitive Abfall über die Jahre nicht nur mit dem "chronologischen Alter" sondern auch mit dem "immunologischen Alter" zu tun hat, d.h. Veränderungen der Immunfunktionen, die mit der Zeit zu Veränderungen der Hirnfunktionen führen – unabhängig von chronologischen Alter des Individuums.
 
Um diese Theorie zu testen, schlossen sich Schwartz und die Forschungsstudenten Kuti Baruch und Aleksandra Deczakowska mit Amit und seinem Forschungsteam im Fachbereich Immunologie zusammen. Die Forscher benutzten eine neuartige Sequenzierungstechnik zur Aufzeichnung der Veränderungen im Genausdruck in 11 unterschiedlichen Organen, einschließlich des Plexus choroideus, sowohl bei jungen als auch bei älteren Mäusen, um so die Wege des Alterungsprozesses zu identifizieren und zu vergleichen. Auf diese Weise identifizierten sie eine wirklich einzigartige "Signatur des Alterns", die allein nur im Plexus choroideus existiert und nicht in anderen Organen. Sie entdeckten, dass eines der Hauptelemente dieser Signatur das Interferon-Beta ist – ein Protein, das der Körper normalerweise zur Bekämpfung von Vireninfektionen produziert. Dieses Protein scheint eine negative Auswirkung auf das Gehirn zu haben: Wenn die Wissenschaftler einen Antikörper, der die Interferon-Beta-Aktivität blockiert, in die zerebrospinale Flüssigkeit älterer Mäuse injiziert, wurden ihre kognitiven Fähigkeiten wieder hergestellt, genau wie auch ihre Fähigkeit, neue Hirnzellen zu produzieren. Die Wissenschaftler konnten diese einzigartige Signatur auch bei älteren menschlichen Gehirnen identifizieren. Nun hoffen die Wissenschaftler, dass diese Entdeckung in Zukunft den kognitiven Abfall im Alter verhindern oder umkehren kann. Man will Wege der Verjüngung und eine Senkung des "immunologischen Alters" des Gehirns finden.
 

Dr. Ido Amits Forschungarbeit wird finanziert vom M.D. Moross Institute for Cancer Research, dem J&R Center for Scientific Research, der Jeanne and Joseph Nissim Foundation for Life Sciences Research, dem Abramson Family Center for Young Scientists, dem Wolfson Family Charitable Trust, der Abisch Frenkel Foundation for the Promotion of Life Sciences, dem Leona M. and Harry B. Helmsley Charitable Trust, von Sam Revusky in Kanada, dem Florence Blau, Morris Blau and Rose Peterson Fund, aus dem Nachlass von Ernst und Anni Deutsch, aus dem Nachlass von Irwin Mandel und aus dem Nachlass von David Levinson. Dr. Amit hält den Alan-und-Loraine-Fischer-Lehrstuhl inne.
 
Die Forschungsarbeit von Prof. Michal Schwartz wird finanziert von der Jeanne and Joseph Nissim Foundation for Life Sciences Research, der Adelis Foundation, dem Europäischen Forschungsrat, von Nathan und Dora Oks in Frankreich und Hilda Namm in Larkspur in Kalifornien, USA. Prof. Schwartz halt den Maurice-und-Ilse-Katz-Lehrstuhl in Neuroimmunologie inne.
 

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