Auf dem Weg zu einer „ultra-personalisierten“ Therapie von Melanomen

12.09.2018

Ein neuer Ansatz zur Identifizierung von „Markierungen“ auf Krebszellen kann Immunzellen helfen, die Krankheit zu bekämpfen

Mit neuen immuntherapeutischen Behandlungen von Melanomen sind die Heilungsraten dramatisch gestiegen, teilweise auf rund 50 %. Aber sie könnten noch viel höher sein: Eine neue Studie unter der Leitung von Forschern des Weizmann Institute of Science zeigte in Petrischalen im Labor und in Tierversuchen, dass ein hochgradig personalisierter Ansatz den Immunzellen dabei helfen könnte, ihre Fähigkeiten zur Erkennung und Abtötung des Krebses zu verbessern. Die Ergebnisse dieser Studie wurden heute in der Zeitschrift Cancer Discovery veröffentlicht.

Immuntherapien umfassen heutzutage die Verabreichung von Antikörpern, damit die natürlichen Immun-T-Zellen, die Krebszellen erkennen und töten, freigesetzt werden können; oder aber das Kultivieren und Reaktivieren dieser T-Zellen außerhalb des Körpers und deren Rückführung in einer „wehrhaften“ Form. „Aber nichts davon wird den Krebs töten, wenn die Immunzellen die ‚Markierungen‘ nicht erkennen, die Krebszellen als fremd kennzeichnen“, sagt Prof. Yardena Samuels von der Abteilung für Molekulare Zellbiologie des Instituts. 

Forschungsgruppen in aller Welt suchen nach solchen Markierungen – mutierten Peptiden, den sogenannten Neo-Antigenen, auf den äußeren Membranen der Krebszellen. Die Identifizierung der jeweiligen Peptide, die sich der T-Zelle zeigen, kann dann zur Entwicklung personalisierter Krebsimpfstoffe auf der Grundlage von Neo-Antigen-Profilen beitragen. Eines der Probleme bei der Entdeckung von Neo-Antigenen bei Krebserkrankungen wie dem Melanom ist jedoch, dass sie von einem Proteinkomplex namens HLA vermittelt werden – einem Komplex, der in Tausenden von Varianten vorkommt, auch ohne Krebsmutationen. Tatsächlich hatten die Algorithmen, die vielfach verwendet werden, um das Krebszellgenom nach möglichen Neo-Antigenen abzusuchen, hunderte von möglichen Kandidaten vorhergesagt.

Samuels hat zusammen mit ihrer Doktorandin Shelly Kalaora und in Zusammenarbeit mit Prof. Arie Admon vom Technion – Israel Institute of Technology die Algorithmenverfahren umgangen. Sie nutzten ein von Admon entwickeltes Verfahren, um die Peptide aus dem HLA-Komplex der Melanomzellen zu extrahieren und deren Wechselwirkungen mit T-Zellen zu untersuchen. Samuels dazu: „Wir haben entdeckt, dass Tumore viel weniger Neo-Antigene aufweisen, als wir erwartet hatten. Unsere Strategien zur Identifizierung von Neo-Antigenen und entsprechenden T-Zellen waren so zuverlässig, dass unsere Neo-Antigen-spezifischen T-Zellen 90% ihrer Ziel-Melanomzellen sowohl in der Petrischale als auch in Mäusen töteten. Dies deutet auf mögliche klinische Anwendungen in naher Zukunft hin. Einige der von uns identifizierten Peptide sind Neo-Antigene, die in den Algorithmusstudien noch nicht einmal aufgetreten sind; mit anderen Worten, die von uns verwendete Methode, die so genannte HLA-Peptidomik, ist in der Tat komplementär zu diesen Verfahren.

Samuels und Kalaora arbeiteten mit einem Team, zu dem Dr. Eytan Ruppin vom National Cancer Institute, USA, Dr. Jennifer Wargo vom University of Texas MD Anderson Cancer Center, Houston, und Prof. Nir Friedman von der Abteilung für Molekulare Zellbiologie des Weizmann Institute of Science gehörten.

 

Von einigen der Patienten hatte die Gruppe mehrere Proben entnommen, so dass sie Fragen zur Metastasierung nachgehen konnte – zum Beispiel, ob die gleichen Neo-Antigene auf Sekundärtumoren vorhanden waren, nachdem sich der Krebs auf andere Organe ausgebreitet hatte. „Dies ist das erste Mal, dass HLA-Peptid-Studien an mehreren Metastasen, die vom gleichen Patienten stammen, durchgeführt wurden. Die signifikante Ähnlichkeit zwischen den verschiedenen HLA-Peptidomen hat starke Auswirkungen auf den Prozess der Auswahl von Neo-Antigenen für die Patientenbehandlung. Das zeigt, dass es eindeutig notwendig ist, nicht nur die immunogenen Peptide zu identifizieren, die auf den Krebszellen vorhanden sind, sondern auch diejenigen auszuwählen, die für die Metastasen des Patienten charakteristisch sind. Das kann dann dazu beitragen, systemische therapeutische Reaktionen bei Patienten mit mehreren Metastasen zu lenken“, sagt Kalaora. 

Und dann ging die Gruppe noch einen Schritt weiter: Unter Verwendung natürlicher T-Zellen, die aus 14 der Patienten extrahiert wurden, identifizierten die Forscher diejenigen, die am stärksten mit den Neo-Antigenen reagierten. Sie sequenzierten die Genome dieser Zellen, kultivierten sie und testeten sie in Tiermodellen mit den Tumorzellen der Patienten. In Laborschalenversuchen und bei Mäusen konnten sie nachweisen, dass die Reaktion der von ihnen identifizierten T-Zellen bei der Krebsbekämpfung sehr effektiv war. 

Samuels weist darauf hin, dass „obwohl diese Forschung derzeit experimentell ist, [...] die Ergebnisse für die klinische Forschung sehr relevant [sind], da Forscher auf der ganzen Welt bereits die Grundlagen für die Entwicklung therapeutischer Krebsbehandlungen auf der Basis von Neo-Antigenen erarbeitet haben. Da fast alle bisher bei Patienten nachgewiesenen Neo-Antigene individuell – und einzigartig für das jeweilige Krebsgewebe – sind, stellen sie eine ideale Klasse von Anti-Krebs-Zielen dar. Das wäre die ultimative „personalisierte“ Krebstherapie – für jeden Patienten wird ein neues Medikament entwickelt.“

 

An diesem Forschungsprojekt nahmen auch Yochai Wolf, Dr. Itay Tirosh, Nouar Qutob, Polina Greenberg und Ronen Levy von der Abteilung für Molekulare Zellbiologie; Guy Shakhar, Tali Feferman, Erez Greenstein und Dan Reshef von der Abteilung für Immunologie; und Ofra Golani von der Abteilung für Life Sciences Core Facilities, alle vom Weizmann Institute of Science; Eilon Barnea vom Technion - Israel Institute of Technology; Alexandre Reuben, Jianhua Zhang, Xizeng Mao, Xingzhi Song, Chantale Bernatchez, Cara Haymaker, Marie-Andrée Forget, Caitlin Creasy, Brett Carter und Zachary Cooper vom University of Texas MD Anderson Cancer Center; Sushant Patkar vom National Cancer Institute, USA; Juliane Quinkhardt und Tana Omokoko von BioNTech Cell & Gene Therapies, Deutschland; Prof. Steven Rosenberg vom National Cancer Institute, USA; Michal Lotem von der Hadassah Medical School, Jerusalem, Israel; und Ugur Sahin von der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg Universität, Mainz, Deutschland teil.

 

 

Prof. Yardena Samuels ist Leiterin des EKARD-Instituts für Krebsdiagnoseforschung; die Forschung von Prof. Samuel wird vom Labor im Namen des von Margot und Ernst Hamburger gegründeten M.E.H. Fund; der Weizmann-Brazil Tumor Bank; dem Europäischen Forschungsrat; dem Wagner-Braunsberg Family Melanoma Research Fund; dem Comisaroff Family Trust; der Rising Tide Foundation; und Paul und Toni Green unterstützt. Prof. Samuels ist die Inhaberin des Knell-Family-Lehrstuhls.

 

Das Weizmann Institute of Science in Rehovot, Israel, ist eine der weltweit besten multidisziplinären Forschungseinrichtungen. Das Institut ist bekannt für seine breit gefächerte Erforschung der Natur- und exakten Wissenschaften und die Heimat von Wissenschaftlern, Studierenden, Technikern und anderen Mitarbeitern. Zu den Forschungsgebieten des Instituts gehören die Suche nach neuen Wegen zur Bekämpfung von Krankheiten und Hunger, die Untersuchung bedeutender Fragen der Mathematik und Informatik, Fragen der Physik der Materie und des Universums, die Entwicklung neuer Materialien sowie die Entwicklung neuer Strategien für den Umweltschutz

Neuigkeiten zum Weizmann Institute finden Sie online auf

http://wis-wander.weizmann.ac.il/ und auf http://www.eurekalert.org/

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