Die Enthüllung der Tiefen von Jupiters Winden

12.08.2018

Prof. Yohai Kaspi vom Weizmann Institute of Science: Jupiters Atmosphäre ist um ein Vielfaches größer als alles, was wir bisher gesehen haben.

Drei Artikel, die morgen in Nature veröffentlicht werden, beantworten eine Frage, die sich Wissenschaftler stellen, seit Galileo als erster die berühmten Streifen des Jupiter beobachtet hat: Sind die bunten Bänder nur ein schönes Oberflächenphänomen oder sind sie eine wesentliche Schicht des Planeten? Prof. Yohai Kaspi vom Weizmann Institute leitete diese Untersuchung, bei der Messungen der NASA-Raumsonde Juno analysiert wurden, um zu zeigen, dass die Streifen – Gürtel starker Winde, die den Planeten umkreisen – bis in eine Tiefe von etwa 3.000 km reichen. Das ist um einiges mehr als die bisherigen Schätzungen, und es revidiert das Bild der Wissenschaftler von der Atmosphäre des Jupiter und seiner inneren Schichten. 

Juno umkreist Jupiter alle 53 Tage und gibt den Forschern die Möglichkeit, zu „sehen“, was unter der Oberfläche des Planeten liegt. Die Messungen, die Juno auf die Erde sendet, umfassen auch Messungen des Gravitationsfeldes des Planeten. Dies geschieht über Radiowellen: Während die Schwerkraft des Planeten im Vorbeiflug an der Raumsonde zieht, wird auch das Radiosignal etwas verschoben; diese Verschiebung der Wellenlängen ist zwar winzig, aber messbar. Und da die Vorbeiflüge jedes Mal auf verschiedenen Bahnen erfolgen, können sie das Gravitationsfeld der verschiedenen Teile des Planeten abbilden.

Kaspi hatte sich zusammen mit Dr. Eli Galanti, beide vom Earth and Planetary Sciences Department des Weizmann Institute of Science, auf diese Analyse vorbereitet, noch bevor Juno vor fast sieben Jahren gestartet wurde. Während dieser Zeit entwickelten sie mathematische Werkzeuge zur Analyse der Gravitationsfelddaten, die es den Forschern ermöglichen würden, die Atmosphäre des Jupiters zu verstehen. Die Windgürtel, die den Planeten umkreisen, erklärt Kaspi, sind viel stärker als die heftigsten Winde auf der Erde, und sie existieren mindestens seit mehreren Hundert Jahren. Da diese Winde in Bändern von Ost nach West oder West nach Ost strömen, stören sie die gleichmäßige Verteilung der Masse auf dem Planeten. Durch die Messung des Ungleichgewichts – Veränderungen im Gravitationsfeld des Planeten – könnten ihre Analysewerkzeuge berechnen, wie tief die Stürme unter der Oberfläche verlaufen. 

Die Wissenschaftler suchten nach Anomalien – Messungen, die zeigen, dass der Planet von einer perfekten Kugel abweicht. Sie erwarteten eine gewisse Anomalie, weil die Planetenrotation seine Form leicht staucht, aber zusätzliche Anomalien in den Messungen wären höchstwahrscheinlich auf Winde in der Atmosphäre zurückzuführen. „Da Jupiter im Grunde genommen eine riesige Gaskugel ist“, erklärt Kaspi, „war die anfängliche Erwartung, dass es keine Asymmetrien im Gravitationsfeld zwischen Nord und Süd geben würde“. Doch im Jahr 2013, als das Raumfahrzeug noch auf dem Weg zum Jupiter war, berechnete Kaspi, dass die Asymmetrie zwischen den Winden im Norden und Süden ein messbares Gravitationssignal erzeugen sollte. Als die Ergebnisse von Juno eintrafen, zeigte die Messung große Unterschiede im Gravitationsfeld zwischen Nord und Süd. „Das Bemerkenswerte daran“, sagt Galanti, „ist, dass wir die Signatur der Ströme selbst direkt messen konnten“.

Ausgehend von der Asymmetrie in den Gravitationsfeldern zwischen Nord und Süd stellten die Forscher fest, dass die Windgürtel – diese von Galileo beobachteten Streifen – 3.000 km tief sind. Darüber hinaus entwickelten Kaspi und Galanti eine Methode, um nicht nur die Gesamttiefe der Ströme zu bestimmen, sondern auch, wie sich die unter den Wolken des Jupiter verborgenen Ströme mit der Tiefe verändern.

Die Berechnungen, die auf diesen Ergebnissen basieren, zeigen, dass die Atmosphäre des Jupiter 1 % seiner Gesamtmasse ausmacht. Das mag nach wenig klingen, aber im Vergleich dazu ist die Erdatmosphäre weniger als ein Millionstel ihrer Gesamtmasse. „Das ist viel mehr, als irgendjemand dachte und mehr als das, was von anderen Planeten im Sonnensystem bekannt ist“, sagt Kaspi. „Es handelt sich dabei um eine Masse, die drei Erdmassen entspricht, die sich mit Geschwindigkeiten von weit mehr als zehn Metern pro Sekunde bewegen.“

Der erste der drei Nature-Artikel, geleitet von Prof. Luciano Iess von der Universität Sapienza in Rom, stellt die Ergebnisse der Asymmetrie in den Gravitationsfeldern vor. Der zweite beschreibt die Ergebnisse, die von Kaspi, Galanti und ihren Kollegen gewonnen wurden und zeigt die ausgeprägte Tiefe der Jupiter-Atmosphäre. Anhand dieser Ergebnisse schaut der dritte, unter der Leitung von Prof. Tristan Guillot vom Observatoire de la Cote d'Azur, unter die Atmosphäre und lässt vermuten, dass sich das Gas unter dem Niveau der Winde mehr oder weniger als ein einziger Korpus dreht, fast so, als wäre es ein Festkörper. Diese drei Artikel tragen dazu bei, ein neues Bild des Jupiter zu zeichnen – von der oberen Wolkenebene nach innen.

Das Thema bezüglich des Jupiterkerns ist noch nicht abgeschlossen, und die Forscher wollen weitere Messungen analysieren, um zu erfahren, ob Jupiter einen festen Kern hat, und wenn ja, seine Masse zu bestimmen. Die Beantwortung dieser Frage kann uns helfen zu verstehen, wie das Sonnensystem und seine Planeten entstanden sind. Darüber hinaus haben Kaspi und Galanti eine weitere symbolträchtige Besonderheit des Sonnensystems im Blick: Jupiters Großen Roten Fleck. Mit einigen der Methoden, die sie entwickelt haben, um die Windströme zu charakterisieren, versuchen sie zu verstehen, wie tief sich dieser gigantische Sturm ausbreitet. Sie hoffen unter anderem herauszufinden, warum dieser Sturm, der so lange stabil ist, wie es Teleskope gibt, in den letzten Jahren schrumpft. 

 

Die Forschung von Prof. Yohai Kaspi wird vom De Botton Center for Marine Science, dem André Deloro Institute for Space and Optics Research und dem Sussman Family Center for the Study of Environmental Sciences unterstützt.

Das Weizmann Institute of Science in Rehovot, Israel, ist eine der weltweit besten multidisziplinären Forschungseinrichtungen. Das Institut ist bekannt für seine breit gefächerte Erforschung der Natur- und exakten Wissenschaften und die Heimat von Wissenschaftlern, Studierenden, Technikern und anderen Mitarbeitern. Zu den Forschungsgebieten des Instituts gehören die Suche nach neuen Wegen zur Bekämpfung von Krankheiten und Hunger, die Untersuchung bedeutender Fragen der Mathematik und Informatik, Fragen der Physik der Materie und des Universums, die Entwicklung neuer Materialien sowie die Entwicklung neuer Strategien für den Umweltschutz

Neuigkeiten zum Weizmann Institute finden Sie online auf

http://wis-wander.weizmann.ac.il/ und auf http://www.eurekalert.org/

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