DNS umschreiben, um sie zu verstehen

31.05.2012

Am Weizmann Institut wurde eine neue Technologie entwickelt, die ein Umschreiben der DNS beschleunigt und die Auswirkungen auf Veränderungen in lebenden Zellen misst

Unsere Fähigkeit, DNS zu "lesen" hat in den letzten Jahrzehnten unglaubliche Fortschritte verzeichnet, aber unsere Fähigkeit, die DNS zu verstehen und ihren Gencode zu verändern, also die auf der DNS codierten Anweisungen "umzuschreiben", hinkt hinterher. Eine neue Studie des Weizmann Instituts bringt unser Verständnis des Gencodes voran: Sie schlägt einen Weg vor, der auf effektive Weise diverse vorsichtig geplante DNS-Segmente in die Genome lebender Zellen einführt und die Auswirkungen dieser Veränderungen mißt. Über diese Forschungsstudie wird in den Juni-Ausgaben von Nature Biotechnology und Nature Genetics berichtet.

Bisher war eine Veränderung der DNS-Sequenz ein langsamer und sehr arbeitsintensiver Prozeß im Labor. Es dauerte mehrere Wochen, um eine einzelne DNS-Region zu verändern. Das Messen der Effekte jeder einzelnen Veränderung dauerte sogar noch länger. In der neuen Studie haben Forscher des Weizmann Instituts eine Technologie entwickelt, die auf systematische Art und Weise eine gleichzeitige Einführung zehntausender DNS-Regionen in zehntausenden lebenden Zellen – jede Region in eine separate Zelle – ermöglicht und die Resultate einer jeden solchen Veränderung mit großer Genauigkeit in nur einem einzigen Experiment zu messen vermag.

"Dieses schnelle Verfahren wird unser Verständnis der "Sprache" der DNS deutlich voranbringen," sagt der Leiter des Forschungsteams, Prof. Eran Segal aus dem Fachbereich Informatik und Angewandte Mathematik und dem Fachbereich Molekulare Zellbiologie am Weizmann Institut. "Es ist bereits möglich, das gesamte Genom einer Person zu lesen, aber was ist im Genom genau geschrieben? Schließlich sieht ein Genom wie eine lange Kette von Buchstaben aus, deren Bedeutung eigentlich unverständlich ist. Die Entzifferung der DNS-Buchstaben ähnelt dem Versuch, eine Fremdsprache zu verstehen, indem man sie anhört, wenn sie gesprochen wird. Unsere Methode wird uns dabei helfen, die DNS-Worte zu entziffern und ihre Bedeutung zu verstehen."

Was in der DNS geschrieben steht, wird uns dabei helfen können zu interpretieren, wie u.a. die genotypischen Unterschiede unter Menschen die offensichtlichen Unterschiede unter ihnen entstehen lassen, angefangen vom äußeren Aussehen bis hin zur Art und Weise wie unsere Zellen funktionieren. Daher wird es beispielsweise möglich sein, klarzustellen, welche genetischen Unterschiede für die Entwicklung verschiedener Krankheiten in bestimmten Individuen verantwortlich sind. Die Weizmann-Institut-Technologie kann auch zur Besserung genetischer Therapien führen, die auf der Einführung neuer Gene oder besserer Regulierungssequenzen in die Zellen basieren, um genetische Defekte zu reparieren.
 
In der vorliegenden Studie haben die Wissenschaftler einen wichtigen Aspekt der DNS-Sprache untersucht: Wie ist die Kontrolle über die Genexpression in der DNS kodiert, d.h. die Vorgaben, welche das Niveau der Aktivität eines jeden Gens im Gencode festlegen. Da das Niveau der Genaktivität eine wichtige Auswirkung auf die Zellfunktion hat, wurde diese Frage, die zu den zentralen Fragen der Molekularbiologie zählt, seit Jahrzehnten studiert. Das neue Verfahren hat die Wissenschaftler dazu befähigt, die Auswirkungen der verschiedenen Parameter der Genaktivität zu isolieren und zu testen: Wie z.B. die Aktivitätsniveaus eines Gens durch die Entfernung des Gens von seiner regulierenden Sequenz beeinflußt wird. Die Forscher haben es geschafft, einige Parameter zu beleuchten, die diese regulierende "Sprache" definieren, und zu zeigen, wie bewußte Veränderungen in der Gen-Sequenz diese Parameter auf eine Art beeinträchtigen, sodaß sie das Niveau der Genaktivität auf eine vorhersehbare Weise verändern.

Die neue Methode besteht aus vier Stufen, die bereits bestehende Technologien in innovativer Art und Weise miteinander kombinieren. Die Stufen sind wie folgt: Schaffung von 50.000 verschiedenen genetischen Sequenzen auf einem DNS-Chip; die gleichzeitige massive Einführung dieser Sequenzen in die Zellen; das Sortieren der Zellen mithilfe einer Sortiermaschine, die das Expressionsniveau eines "Reporter"-Gens aufspürt; und high-throughput parallel DNA sequencing.

An der Studie nahmen die am Weizmann Institut graduierten Studenten Eilon Sharon, Tali Raveh-Sadka und Michal Levo, Forschungsassistentin Dr. Yael Kalma und die wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Adina Weinberger sowie Dr. Zohar Yakhini vom Technion – Israel Institute of Technology und Agilent Laboratories in Santa Clara in Californien, USA, teil.
 

Prof. Eran Segals Forschungsarbeit wird finanziert vom Cecil and Hilda Lewis Charitable Trust, der Carolito Stiftung, dem Kahn Family Research Center for Systems Biology of the Human Cell und dem Europäischen Forschungsrat.
 

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