Dreifach-Behandlung stoppt die Rückkehr von Krebs

29.06.2015

Die Behandlung hindert Lungenkrebszellen in Mäusen daran, Resistenz gegen Chemotherapie zu entwickeln

Lungenkrebs ist weltweit eine der Haupttodesursachen bei Krebserkrankungen und verantwortlich für 1.59 Millionen Todesfälle im Jahr. Diese Ziffer hängt teilweise auch damit zusammen, dass die Krebserkrankung trotz einer scheinbar erfolgreichen Behandlung oft wiederkehrt. Außerdem ist der wiederkehrende Krebs dann meist auch noch resistent gegen Chemotherapie und gegen andere Medikamente, die ihn vorher in Remission gehen liessen. Gemäß einer neuen Forschungsstudie von Prof. Yosef Yarden am Weizmann Institut ist es mit einer dreifachen Behandlung möglich, die aggressive Form von Lungenkrebs an einer Rückkehr zu hindern.

 

            Die Forschungsarbeit, sagt Yarden, entstand aus einigen verblüffenden Ergebnissen klinischer Tests. Eine Form einer relativ gewöhnlichen Lungenkrebserkrankung, die sich auf eine bestimmte Mutation in einem Rezeptor auf einer Zellmembran – genannt EGFR - zurückverfolgen läßt, kann mit einer Art „Wunderdroge“ behandelt werden. Dieses Medikament hindert ein Wachstumssignal daran, in die Zelle einzudringen, und verhindert dadurch die tödliche Ausbreitung der Krebserkrankung. Aber innerhalb eines Jahres erleben Patienten mit dieser Mutation ausnahmslos einen Krebsrückfall, gewöhnlich als Ergebnis einer zweiten EGFR-Mutation. Um dies zu verhindern haben die Forscher die Verabreichung eines weiteren Medikaments geprobt, ein Antikörper, der heute zur Behandlung von kolorektalem Krebs eingesetzt wird. Dieses Medikament blockiert die Weiterleitung des Wachstumssignals, indem es EGFR stoppt. Obwohl das Antikörper-Medikament eigentlich die EGFRs – die Wachstumsrezeptoren – und dabei auch diejenigen, die von der zweiten Mutation generiert werden, auf effektive Weise blockieren sollte, haben klinische Test mit diesem Medikament gegen Lungenkrebs nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt. „Diese Befunde waren das Gegenteil von allem, was wir bis dahin über Resistenzentwicklung in Tumoren wussten,“ sagt Yarden.

 

            Wie schaffen es die Krebszellen, die Blockade durch einen EGFR-Antikörper zu umgehen? Laut einer neuen Studie, die heute in Science Signaling erscheint, haben Yarden und sein Student Maicol Mancini entdeckt, was mit Krebszellen geschieht, wenn sie dem Antikörper, der den Rezeptor blockiert, ausgesetzt sind.

 

„Der blockierte Rezeptor hat `Geschwister´, d.h. andere Rezeptoren, die den Job übernehmen,“ sagt Yarden. In der Tat fand das Forschungsteam heraus, dass beim anhaltenden Blockieren des Hauptrezeptors (EGFR), eines der Kommunikationsnetzwerke der Zelle umgeleitet wurde und die `Geschwister´ dazu veranlasst wurden, anstelle des ursprünglichen Rezeptors auf der Zelloberfläche zu erscheinen. Der genau abgestimmte Antikörper hemmte sie nicht, weshalb die Krebszellen wieder aktiv wurden. Die Forscher entdeckten die Proteinkommunikationskette in dem neuen Netzwerk, die letztendlich das Erscheinen der Geschwister-Wachstumsrezeptoren bewirkte. Dieses neue Netzwerk kann wegen des Ausfalls des ursprünglichen Rezeptors scheinbar überkompensieren, was die Lage im Vergleich zur ersten Runde der Erkrankung schlimmer werden läßt. Außerdem fand das Team heraus, dass diese neue Netzwerkverbindung manchmal die Beteiligung eines weiteren Moleküls einschloss, das als Rezeptor Tyrosinkinase MET bekannt ist und sich spezifisch an eines der Geschwister anbindet. Dieses Signalmolekül wird oft in metastatischem Krebs angetroffen.

 

            Als die Forscher enthüllten, wie die Hemmung umgangen wird, machten sie sich daran, eine bessere Verteidigungslinie zu errichten. Yarden und sein Team schufen neue monoklonale Antikörper, die auf die beiden hauptsächlichen Wachstumsrezeptor-Geschwister abzielten, die sich HER2 (Arzneistoff Herceptin gegen Brustkrebs) und HER3 nennen. Die Idee war es, alle drei Antikörper gemeinsam zu verabreichen – die beiden neuen und auch der ursprüngliche Antikörper gegen EGFR -, um der Resistenz auf die Behandlung zuvorzukommen. In isolierten Krebszellen hat die Verabreichung der Dreifach-Behandlung in der Tat die neue Verbindung verhindert, die für die fortlaufende Aussendung von Wachstumssignalen notwendig ist.

 

            Als nächstes versuchte das Forschungsteam den Dreifach-Ansatz in Mäusemodellen mit Lungenkrebs im zweiten Resistenz-Stadium. In diesen Mäusen ließ sich das Tumorwachstum fast völlig stoppen. Weiterführende Studien zeigten außerdem, dass diese Behandlung das Tumorwachstum zügelte und gesunde Zellen in Ruhe ließ.

 

            Obwohl noch eingehendere Forschung durchgeführt werden muss bevor der Dreifach-Ansatz klinisch eingesetzt werden kann, hofft Yarden, dass diese Ergebnisse nicht nur das Behandlungsprotokoll bei Lungenkrebs verändern sondern auch das Verständnis der Abläufe bei Resistenz gegen Medikamente. „Eine Behandlung durch Blockieren eines einzigen Ziels kann zu einer Rückkoppelungsschleife führen, die letztendlich in einem Rückfall der Krebserkrankung resultiert,“ sagt er. „Wenn wir vorhersagen können, wie Krebszellen reagieren, wenn wir die Wachstumssignale blockieren und sie weiterwuchern, können wir vorbeugende Schritte unternehmen, um dies zu verhindern.“

 

            An der Forschungsarbeit waren Dr. Nadège Gaborit, Dr. Moshit Lindzen, Dr. Tomer Meir Salame von der Abteilung Biological Services und Ali Abdul Hai, auch vom Kaplan Medical Center, und die Forschungsstudenten Massimiliano DallÓra und Michal Sevilla-Sharon, gemeinsam mit Prof. Julian Downward vom London Research Institut, Großbritannien, beteiligt.

 

            Prof. Yarden wurde 2015 mit dem Leopold Griffuel Prize for Fundamental Research ausgezeichnet, dem höchstdotierten Forschungspreis Frankreichs für bedeutende Leistungen auf dem Gebiet der Krebsforschung, verliehen von der Association pour la Recherche sur le Cancer (ARC).

 

 

Prof. Yosef Yardens Forschungsarbeit wird finanziert von der Dr. Miriam and Sheldon G. Adelson Medical Research Foundation, aus dem Maurice and Vivienne Wohl Biology Endowment, dem Louis and Fannie Tolz Collaborative Research Project, dem Europäischen Forschungsrat und dem Marvin Tanner Laboratory for Research on Cancer. Prof. Yarden hat den Harold-und-Zelda-Goldenberg-Lehrstuhl in molekularer Zellbiologie inne.

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