In einer "Big Brother"-Umgebung entwickeln Mäuse soziale Fähigkeiten

17.06.2013

Forscher des Weizmann Instituts untersuchten soziales Verhalten bei Mäusen und stellten sowohl Zeichen von Führungsqualität als auch eine “autistische Mausgesellschaft“ fest

Wie schafft es ein Gesellschaftstier – wie die Maus oder der Mensch – über ihre/seine Artgenossen zu dominieren? Ein einzigartiges Experiment, das von Dr. Tali Kimchi und ihrem Team im Fachbereich Neurobiologie des Weizmann Instituts durchgeführt wurde, liefert ungewöhnliche Einsichten in das soziale Verhalten, das eine soziale Hierarchie, komplettiert mit einem Oberchef, ermöglicht.

 
 
Kimchi und ihr Forschungsteam, Aharon Weissbrod, Genady Wasserman und Alex Shapiro entwickelten gemeinsam mit Dr. Ofer Feinerman aus dem Fachbereich Physik komplexer Systeme des Weizmann Instituts ein System, das ihnen die Beobachtung einer großen Gruppe von Tieren erlaubte, die in halbnatürlichen Konditionen zusammenleben. Im Grunde handelte es sich dabei um eine Mäuseversion der TV-Sendung "Big Brother". Unterschiedliche Mäusearten wurden in einem vier Quadratmeter großen "Haus" zusammengebracht und lebten dort gemeinsam ohne jedwede menschliche Einmischung. Um die einzelnen Mäuse Tag und Nacht verfolgen zu können, wurde jeder Maus ein ID-Chip implantiert, der den Chips ähnelt, die Hunden und Katzen als ID implantiert wird, und außerdem wurden an strategischen Stellen Videokameras mit Infrarotlicht installiert, um auch nachts filmen zu können. Mit der Kombination aus Chip und laufenden Videoaufnahmen konnte das System ununterbrochen jede einzelne Maus bis auf einen halben Zentimeter genau verfolgen, und zwar dreißig Mal pro Sekunde über mehrere Tage oder gar über Monate.
 

Weil die Informationen so präzise waren, konnte das Forschungsteam dutzende individuelle Verhaltensmuster identifizieren wie Essen, Trinken, Rennen, Schlafen, Verstecken usw, aber auch soziale Verhaltensweisen wie das Aussuchen bestimmter anderer Mäuse für bestimmte Aktivitäten oder das Vermeiden bestimmter Mäuse, das Angreifen anderer usw. Die Forscher fanden heraus, dass es möglich ist, typisches Verhalten von Individuen, Paaren und Gruppen zu isolieren und zu identifizieren. Durch Aussortieren bestimmter Verhaltensmuster war das automatisierte System dazu fähig, zwischen den unterschiedlichen genetischen Eigenschaften der Mäuse in gemischten Gruppen zu differenzieren und Paarungen mit 90prozentiger Genauigkeit vorherzusagen. Diese genauen Beobachtungen enthüllten soziale Charaktistika und wie z.B. Individuen durch Dominanz über andere egal ob Männchen oder Weibchen zum "König" der Gruppe wurden.
 

Außerdem wurden Experimente durchgeführt, in denen zwei Arten von "Hausbewohnern" beobachtet wurden, nämlich "soziale" und "autistische" Mäuse, die wenig soziales Engagement und rigide Verhaltensmuster aufzeigten. Anhand ihrer Bewegungsmuster und ihres sozialen Verhaltens identifizierte das System die "autistischen" Mäuse.
 

In einer Forschungsarbeit, die diese Woche in Nature Communications erschienen ist, beschreiben Kimchi und ihr Team wie innerhalb von 24 Stunden dominante Anführer entstehen und wie sich ein Klassensystem in einer Gruppe normaler Mäuse entwickelt. Überraschenderweise stellten sie in einem ähnlichen Versuch mit autistischen Mäusen fest, dass entweder kein Anführer herauskristallisierte oder wenn sich einer hervortat, dann wurde dieser schnell wieder gestürzt.
 
 
Das genaue, automatisierte und halbnatürliche System, welches die Wissenschaftler entwickelten, ermöglicht eine tiefgreifende systematische Studie der Mechanismen für die Regulation sozialen Verhaltens in Tiermodellen. Es könnte dabei besonders nützlich für einen Einblick in die sozialen Aspekte von Anomalitäten wie Schizophrenie und Autismus sein.
 

Dr. Ofer Feinermans Forschungsarbeit wird von der Clore Foundation finanziert. Dr. Feinerman hält den Shlomo-und-Michla-Tomarin-Lehrstuhl für Karriereentwicklung inne.
 
Dr. Tali Kimchis Forschungsarbeit wird finanziert von dem Nella and Leon Benoziyo Center for Neurological Diseases, dem Joan and Jonathan Birnbach Family Laboratory Fund, der Abisch Frenkel Foundation for the Promotion of Life Sciences, den Peter and Patricia Gruber Awards, von Mike und Valeria Rosenbloom über die Mike Rosenbloom Foundation, von Harris Foundation for Brain Research und aus dem Nachlass von Fannie Sherr. Dr. Kimchi hält den Jenna-und-Julia-Birnbach-Familien-Lehrstuhl für Karriereentwicklung inne.
 

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