Geschwüre wachsen nachts möglicherweise schneller

06.10.2014

Wissenschaftler des Weizmann Instituts enthüllen, dass dasselbe Hormon, welches uns wach hält, die Ausbreitung von Krebs unterdrückt.

Sie tauchen nachts auf, während wir schlafen und gar nicht merken, wie sie wachsen und sich so schnell wie möglich verbreiten. Und sie sind tödlich. Mit dieser überraschenden Entdeckung, über die kürzlich in Nature Communications berichtet wurde, zeigen die Wissenschaftler des Weizmann Instituts, dass nachts die richtige Zeit für Wachstum und Verbreitung der Krebszellen ist. Ihre Entdeckungen suggerieren, dass bestimmte Behandlungen angepasst an den Tag-und-Nacht-Kreislauf des Körpers wirksamer wären.


Diese Ergebnisse gingen aus einer Untersuchung über die Beziehungen zwischen verschiedenen Rezeptoren in der Zelle hervor – ein komplexes Netzwerk, das wir noch immer nicht wirklich verstehen. Die Rezeptoren – Proteinmoleküle an der Zelloberfläche oder im Zellinnern – nehmen biochemische Botschaften auf, die von anderen Zellen abgegeben und in das Zellinnere weitergeleitet werden. Unter Vorsitz von Dr. Mattia Lauriola, einem Postdoktoranden in der Forschungsgruppe von Prof. Yosef Yarden aus dem Fachbereich Biologische Regulation am Weizmann Institut und in Zusammenarbeit mit Prof. Eytan Domany aus dem Department für Physik komplexer Systeme, konzentrierten sich die Wissenschaftler auf zwei bestimmte Rezeptoren. Der eine war der epidermale Wachstumsfaktorrezeptor, EGFR, der Wachstum und Wandern von Zellen fördert, einschließlich Krebszellen. Der zweite untersuchte Rezeptor band sich an ein Steroidhormon an, das sich Glucocorticoid (GC) nennt. Glucocorticoide spielen bei der Beibehaltung des Energieniveaus im Körper während der Tagesstunden eine Rolle und auch beim metabolischen Stoffwechsel. Es nennt sich auch Stresshormon, denn sein Niveau steigt in Stresssituationen, wobei es den Körper sehr schnell in volle Alarmbereitschaft versetzt.

Mit multiplen Rezeptoren erhält der Körper alle möglichen Meldungen gleichzeitig und manche dieser Meldungen übertrumpfen andere. In einem Experiment fanden Lauriola und Yarden heraus, dass Zellmigration – eine Aktivität, die vom EGF-Rezeptor gefördert wird – unterdrückt wird, wenn der GC-Rezeptor an seinen Steroid-Boten angebunden ist.

Da Steroidniveaus ihren höchsten Stand während der Wachheit erreichen und im Schlaf wieder sinken, fragten sich die Wissenschaftler, wie das wohl den zweiten Rezeptor – EFGFR - beeinflusst. Beim Untersuchen des Aktivitätsniveaus bei Mäusen entdeckten sie einen deutlichen Unterschied: Dieser Rezeptor ist viel aktiver im Schlaf und ruht während der Wachheit.

Aber wie relevant sind diese Ergebnisse bei Krebs, insbesondere solchen Krebserkrankungen, die den EGF-Rezeptor bei Wachstum und Verbreitung benutzen? Um dies herauszufinden verabreichten die Wissenschaftler in Mäusemodellen von Krebserkrankungen Lapatinib – ein neuartiges Medikament zur Krebsbekämpfung. Dieses Medikament, das insbesondere zur Behandlung von Brustkrebs eingesetzt wird, zielt auf eine Unterbindung von EGFR ab, und verhindert somit Wachstum und Migration von Krebszellen. In dem Experiment verabreichten sie den Mäusen das Medikament zu unterschiedlichen Tageszeiten. Die Ergebnisse enthüllten deutliche Unterschiede der Geschwürgrößen in unterschiedlichen Gruppen von Mäusen, abhängig davon, ob ihnen das Medikament im Schlaf oder bei Wachheit verabreicht wurde. Die Ergebnisse des Experiments weisen darauf hin, dass es im Laufe von 24 Stunden in der Tat einen Anstieg und Abfall des Niveaus der GC-Steroide gibt, die das Krebszellenwachstum verhindern oder ermöglichen.

Die Wissenschaftler schlussfolgerten, dass es effizienter sein könnte, wenn man bestimmte Medikamente gegen Krebs nachts verabreicht.

"Das Timing scheint hier sehr wichtig," sagt Yarden. "Krebsbehandlungen werden meistens am Tage vorgenommen, wenn der Körper des Patienten eigentlich gerade selbst damit beschäftigt ist, den Krebs zu bekämpfen. Wir schlagen daher keine neue Therapie vor, sondern stattdessen einen neuen Zeitplan für die Behandlung mit einigen der bereits existierenden Medikamente."
 

Prof. Eytan Domanys Forschung wird von der Leir Charitable Foundation, Mordechai Segal (Israel) und dem Louis and Fannie Tolz Collaborative Research Project finanziert. Prof. Domany hält den Henry J. Leir-Lehrstuhl inne.
 
Prof. Yosef Yardens Forschungsarbeit wird finanziert von der Dr. Miriam and Sheldon G. Adelson Medical Research Foundation, aus dem Maurice and Vivienne Wohl Biology Endowment, von dem Louis and Fannie Tolz Collaborative Research Project, dem Europäischen Forschungsrat und dem Marvin Tanner Laboratory for Research on Cancer. Prof. Yarden hält den Harold-und-Zelda-Goldenberg-Lehrstuhl in Molekularer Zellbiologie inne.

 

Share