Regenerierte Herzzellen in Mäusen

12.04.2015

Eine Forschungsarbeit des Weizmann Instituts führt Herzzellen einen Entwicklungsschritt zurück, um eine Erneuerung zu ermöglichen

Wenn ein Herzinfarkt eintritt, stirbt eine Herzmuskelzelle ab und es bildet sich Narbengewebe, das den Weg zu einem Herzversagen ebnet. Herzkreislauf-Erkrankungen sind weltweit die Todesursache Nummer eins, hauptsächlich weil sich die Zellen in unserem lebenswichtigsten Organ nicht erneuern. Im Gegensatz zu Blut-, Haar- und Hautzellen, die sich ständig erneuern können, hören unsere Herzzellen kurz nach unserer Geburt auf, sich zu teilen und in unserem Erwachsenenleben ereignet sich kaum eine Erneuerung. Eine neue Forschungsstudie des Weizmann Instituts bietet eine Erklärung für die Frage, warum sich das Säugetier-Herz nicht regeneriert und andererseits zeigt sich in Versuchen mit ausgewachsenen Mäusen, dass es möglich ist, dieses Schicksal umzukehren. Heute wurde in Nature Cell Biology darüber berichtet.

 

            Prof. Eldad Tzahor aus dem Fachbereich Biologische Regulation am Weizmann Institut meinte, eine Teilantwort zu dem Regenerierungsrätsel könnte sich in seinem Fachgebiet finden, und zwar in der embryonischen Entwicklungsphase des Herzens. In der Tat zeigte sich, dass ein Protein namens ERBB2 – das eingehend erforscht wurde, weil es Wachstumssignale weitergibt, die bestimmte Arten von Krebserkrankungen fördern – eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Herzens spielt. ERBB2 ist ein spezialisierter Rezeptor – ein Protein, das externe Botschaften in die Zelle weitergibt. ERBB2 arbeitet gewöhnlich mit einem zweiten, verwandten Rezeptor zusammen, wobei  ein Wachstumsfaktor namens Neuregulin 1 (NRG1) angebunden wird, um die Botschaft zu weiterzugeben. NRG1 wird bereits in klinischen Studien zur Behandlung von Herzversagen getestet.

 

            Dr. Gabriele D'Uva, ein Postdoktorand in der Forschungsgruppe von Prof. Eldad Tzahor, wollte genau wissen, wie NRG1 und ERBB2 in die Regenerierung des Herzens eingebunden sind. In Mäusen können neue Herzmuskelzellen bis zu einer Woche nach der Geburt angesammelt werden; neugeborene Mäuse können beschädigte Herzen regenerieren, während eine sieben Tage alte Maus es bereits nicht mehr kann. D`UVA und Forschungsstudentin Alla Aharonov beobachteten, wie Herzmuskelzellen, genannt Kardiomyozyten, die mit NRG1 behandelt wurden, sich am Tag der Geburt weiter vermehrten, aber diese Wirkung dann rapide nach einer Woche absank, obwohl große Mengen NRG1 vorhanden waren. Weitere Studien zeigten einen Unterschied in der ERBB2-Menge auf den Herzmuskelzell-Membranen.

 

            Das Team schuf daraufhin Mäuse, in denen das Gen für ERBB2 nur in den Kardiomyozyten außer Gefecht gesetzt ist, mit schlimmen Auswirkungen: Die Mäuse hatten Herzen mit dünnen, ballonähnlichen Wänden – eine kardiale Pathologie, genannt dilatative Kardiomyopathie. Die Schlußfolgerung war, dass die Kadiomyozyten, in denen ERBB2 fehlt, sich nicht teilen, selbst wenn NRG1 vorhanden ist. Anschließend reaktivierte das Team das ERBB2-Protein in den Herzzellen ausgewachsener Mäuse, die sich normalerweise nicht mehr teilen. Dies bewirkte eine extreme Verbreitung von Kardiomyozyten und Hypertrophie – extremem Wachstum der einzelnen Kardiomyozyten, wodurch ein riesiges Herz (Kardiomegalie) entstand, das nur eine geringfügige Blutversorgung des Herzens zuließ. Tzahor: "Zu wenig oder zu viel dieses Proteins hat eine verheerende Auswirkung auf die Herzfunktion."

 

             Es stellte sich nun die Frage, ob sich ERBB2 in einem erwachsenen Herzen nach einem Herzinfarkt wenigstens kurz aktivieren lässt und ob es dann möglich ist, positive Ergebnisse zu erzielen, wie z.B. eine Erneuerung der Herzzellen, ohne negative Auswirkungen wie Hypertrophie und Vernarbung. Bei der Untersuchung dieser Idee stellte das Team fest, dass es in der Tat möglich ist, das sich ERBB2 in Mäusen kurzzeitig und nur nach einem künstlich eingeleiteten Herzinfarkt aktivieren und damit eine fast vollkommene Regenerierung des Herzen innerhalb weniger Wochen erzielen läßt. "Die Ergebnisse waren beeindruckend," sagt Tzahor. "Im Gegensatz zu starker Vernarbung in den Testherzen waren die Herzen mit ERBB2 wieder vollkommen regeneriert."

 

            Eine Untersuchung des Regenerierungsprozesses anhand von Lebendzell-Mikroskopie und Molekularstudien enthüllte, wie es genau ablief: Die Kardiomyozyten „dedifferenzieren“, d.h. sie kehren in ein früheres Entwicklungsstadium zurück – zwischen der embryonalen und der erwachsenen Zelle -, teilen sich und spezialisieren sich durch Differenzierung  zu neuen Herzzellen . Also ermöglichtERBB2 , die Zellen einen Entwicklungsschritt zurück in eine frühere, embryonale Form zu versetzen und durch diesen Stopp im Entwicklungsprozeß den Regenerierungsprozess zu fördern.

 

In einer weiterführenden Forschungsarbeit dazu begannen Tzahor und sein Team, einen Signalweg vorzugeben – über andere Proteine, die auf die NRG1-Botschaft in der Zelle reagieren. „ERBB2 befindet sich ganz eindeutig am obersten Ende der Proteinkette. Wir haben zeigen können, dass es selbstständig eine Regenerierung des Herzen zu bewirken vermag. Aber ein besseres Verständnis der Aufgaben der anderen Proteine in dieser Kette könnte uns neue Behandlungsziele bei Herzkrankheiten aufzeigen,“ sagt D’Uva.

 

Tzahor verweist auf klinische Tests bei Patienten, die mit NRG1 behandelt wurden, die nicht besonders erfolgreich waren, wenn dabei nicht auch die ERBB2-Mengen aufgestockt wurden. Er und sein Team planen weiterführende Forschungsstudien dieses Signalwegs, um Wege zur Verbesserung des Prozesses zur zukünftigen Erneuerung der Herzzellen vorschlagen zu können. Da dieser Signalweg auch in eine Krebserkrankung involviert ist, werden gründliche Studien notwendig sein, um genauer zu verstehen, wie sich das Erneuerungssignal der Kardiomyozyten genau an die richtige Stelle, zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Menge dirigieren lässt. „Es ist noch sehr viel Forschungsarbeit notwendig, um herauszufinden, ob dieses Prinzip sich auch im menschlichen Herzen anwenden lässt, aber unsere bisherigen Studien deuten auf eine solche Möglichkeit,“ sagt er.

 

An der Forschungsarbeit nahmen die Professoren Yosef Yarden und Michal Neeman, ebenfalls aus dem Fachbereich Biologische Regulation, teil. Außerdem leisteten auch Prof. Jonathan Leor vom Chaim Sheba Medical Center und Richard P. Harvey von der Unversity of South Wales in Australien einen Beitrag.

 

 

Prof. Eldad Tzahors Forschungsarbeit wird finanziert vom Louis and Fannie Tolz Collaborative Research Project, vom Europäischen Forschungsrat und aus dem Nachlass von Jack Gitlitz.

 

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