Synthetische Zellen fungieren wie biologische Zellen

18.08.2014

Zellähnliche Abteilungen produzieren Proteine und kommunizieren miteinander, ähnlich wie natürliche biologische Systeme

Nachahmung ist die aufrichtigste Form des Schmeichelns, aber die komplizierten Netzwerke und dynamischen Interaktionen in einer lebenden Zelle zu imitieren ist äußerst schwierig. Im Wissenschaftsmagazin Science wurde nun von einer Forschungsarbeit berichtet, in der Wissenschaftler des Weizmann Instituts ein synthetisches Zellennetzwerk geschaffen haben, das dazu imstande ist, das dynamische Verhalten der Proteinsynthese zu reproduzieren. Diese Errungenschaft wird nicht nur dazu verhelfen, die grundlegenden biologischen Prozesse genauer zu verstehen, sondern sie könnte in Zukunft auch den Weg ebnen, um die Synthese sowohl natürlich auftretender als auch synthetischer Proteine für diverse Anwendungen zu kontrollieren.


Das System wurde von den Doktoranden Eyal Karzbrun und Alexandra Tayar im Labor von Prof. Roy Bar-Ziv im Fachbereich Biomaterialien und Grenzflächen am Weizmann Institut in Zusammenarbeit mit Prof. Vincent Noireaux von der University of Minnesota entwickelt und enthält auf dem Biochip mehrere "eingravierte" Kompartimente . Diese Kompartimente – synthetische Zellen, die jeweils nur ein Millionstel eines Meters tief sind – sind durch dünne Kapillarröhrchen miteinander verbunden, wobei sie ein Netzwerk bilden, das die Diffusion der biologischen Substanzen im gesamten System ermöglicht. In jedes dieser Kompartimente setzten die Forscher ein Zellgenom ein – DNA-Stränge, die von den Wissenschaftlern eigens entwickelt und kontrolliert werden. Um nun die Gene in Proteine umzuschreiben, überließen sie die Kontrolle dem Bakterium E. coli: Durch Befüllen der Kompartimente mit E. Coli-Zellextrakt – eine Lösung, die die gesamte bakterielle Proteinübertragungsmaschinerie ohne DNA-Code enthält – konnten sich die Wissenschaftler nun zurücklehnen und die entstehende Proteinsynthesedynamik beobachten.

Durch die Kodierung von zwei regulierenden Genen in die Sequenz kreierten die Wissenschaftler eine Proteinsyntheserate, die periodisch war und auf spontane Weise zwischen "ein" und "aus" hin- und herschaltete. Der Zeitraum, in dem die jeweilige Phase anhielt, wurde von der Geometrie der Kompartimente festgelegt. Dieses periodische Verhalten – eine primitive Version der Zellkreisläufe – entstand im System nur deshalb, weil synthetisierte Proteine sich durch Kapillaren jenseits dieser Kompartimente verbreiten konnten, wobei sie das natürliche Proteinumsatzverhalten in lebenden Zellen imitierten. Gleichzeitig wurden ständig neue Nährstoffe aufgefüllt, die sich in den Kompartimenten verbreiteten und eine endlose Fortsetzung der Proteinsynthesereaktion ermöglichten. "Das synthetische Zellsystem, in dem wir den genetischen Inhalt und die Proteinauflösungszeiten kontrollieren können, ermöglicht es uns, die Beziehung zwischen dem Gen-Netzwerkdesign und der daraus entstehenden Proteindynamik zu erforschen. In einem natürlichen System ist dies ein äußerst schwieriges Unterfangen," sagt Karzbrun. "Das Zwei-Gen-Muster, das wir entworfen haben, ist ein einfaches Beispiel eines Zellnetzwerks, aber nachdem wir das Konzept unter Beweis gestellt haben, können wir nun zu komplizierteren Gen-Netzwerken übergehen. Eines unserer Ziele ist es, letztendlich einen DNA-Gehalt zu entwerfen, der dem wahrhaften Genom ähnelt und in einigen der Kompartimente als Ersatz dienen kann."

Die Wissenschaftler fragten sich dann, ob die synthetische Zelle eigentlich kommunizieren kann wie biologische Zellen dies untereinander tun. In der Tat fanden sie heraus, dass synthetisierte Proteine, die sich in diversen miteinander verbundenen Kompartimenten verbreitet hatten, dazu fähig waren, Gene zu regulieren und in Kompartimenten an entfernteren Stellen im Netzwerk neue Proteine zu produzieren. Dieses System ähnelt den Anfangsstadien der Morphogenese – dem biologischen Prozess, der die Entstehung des Körperplans in der embryonalen Entwicklung kontrolliert. "Wir haben beobachtet, dass ein Gen, das wir in einem Kompartiment am Rande des Netzwerks platzierten, eine zunehmend verminderte Proteinkonzentration schafft. Andere Kompartimente im Umfeld können dies detektieren und auf diesen Rückgang reagieren – genau wie sich allmählich vermindernde Morphogen-Konzentrationen im frühen Entwicklungsstadium eines Embryos über die Zellen und Gewebe verbreiten. Jetzt arbeiten wir daran, das System auszubauen und Gen-Netzwerke einzuführen, die Musterformationen nachahmen, genau wie die Streifenmuster, die in der embryonalen Phase der Fliegen erscheinen," erklärt Tayar.

Eigentlich kann man mit dem synthetischen Zellsystem– so Bar-Ziv – alles kodieren: "Gene sind wie Legosteine, die sich beliebig zusammenfügen lassen, um völlig unterschiedliche Gebilde zu produzieren; man kann ein regulierendes Element von E. Coli, das auf natürliche Weise das X-Gen kontrolliert, nehmen und ein bekanntes Protein schaffen; oder man kann dasselbe regulierende Element nehmen, aber es stattdessen mit einem Y-Gen verbinden, um völlig andere Funktionen zu erhalten, die gewöhnlich nicht in der Natur vorkommen." Diese Forschungsarbeit könnte in Zukunft dabei helfen, die Synthese von z.B. Kraftstoff, Pharmazeutika, Chemikalien und der Produktion von Enzymen für die industrielle Verwendung u.ä. voranzubringen.
 

Prof. Roy Bar-Zivs Forschungsarbeit wird vom Yeda-Sela Center for Basic Research finanziert.
 

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